Liability of shopkeepers in shopping centres

Die Haftung von Geschäftslokalbetreibern in Einkaufszentren

Bei Schadensfällen in Einkaufszentren ist relevant, ob ein Naheverhältnis zum Vertragsschluss mit Geschäftslokalbetreibern besteht. In dem Fall können diese in Anspruch genommen werden, auch wenn es auf Allgemeinflächen wie Parkplätzen und Aufzugsanlagen zu Schäden kommt. Subsidiäre Ansprüche gegen den Betreiber des Einkaufszentrums bestehen dann nicht.

5 Ob 82/19 y und 4 Ob 13/19 v

Nach ständiger Rechtsprechung werden Schuldverhältnisse nicht erst durch Vertragsabschluss begründet, sondern die möglichen Vertragsparteien sind bereits durch die Aufnahme eines rechtsgeschäftlichen Kontakts zu gegenseitigem Schutz und gegenseitiger Sorgfalt verpflichtet. Diese Pflichten bestehen zwischen den Parteien auch nach dem Vertragsabschluss weiter.

Ob noch ein ausreichender Zusammenhang mit der vertraglichen Hauptleistung besteht und welcher der vielen potentiellen Vertragspartner in einem Einkaufszentrum überhaupt zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in Frage kommt, ist regelmäßig eine entscheidende Fragestellung bei Rechtstreitigkeiten. So auch in den aktuellen Entscheidungen 4Ob13/19v und 5Ob82/19y des OGH zur Haftung von Geschäftsraummietern in Einkaufszentren:

 

In der ersten Entscheidung (OGH 28. 5. 2019, 4 Ob 13/19v) verstaute der Kläger nach seinem Supermarkteinkauf die erworbenen Waren in seinem Auto und stürzte auf seinem Rückweg ins Einkaufszentrum wegen Glatteises auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums. Er klagte daraufhin den Supermarktbetreiber, der einwendete, dass kein Naheverhältnis zum Vertragsabschluss gegeben war. Zudem verwies er auf den Vermieter, der für die Sicherung der Allgemeinflächen verantwortlich sei.

Wie bereits ausgeführt, treffen einen Geschäftsinhaber bei Anbahnung eines geschäftlichen Kontaktes gegenüber potenziellen Kunden vorvertragliche Schutzpflichten. Eben solche Schutz- und Sorgfaltspflichten bestehen auch zwischen ehemaligen Vertragsparteien. So ist es etwa Aufgabe des Geschäftsinhabers, seinen Kunden vor ihnen beim Betreten und Verlassen des Geschäfts im Gehsteigbereich drohenden Gefahren zu schützen.

Gegenstand des Verfahrens war sodann, ob noch ein ausreichendes Naheverhältnis zwischen Vertragsabschluss und Unfall bestand:

Zum räumlichen Zusammenhang: Der Geschäftsinhaber hat für die Sicherheit des Geschäftslokals zu sorgen und darüber hinaus den sicheren Zugang zu diesem zu gewährleisten, etwa indem er den Eingang und den unmittelbar davor befindlichen Gehsteigbereich von Schnee und Eis säubert und bestreut. Diese vertraglichen Verkehrssicherungspflichten erstrecken sich nach Ansicht des OGH auch auf Flächen bzw Anlagen außerhalb des Gebäudes, wenn diese funktionell noch zu diesem gehören und bestimmungsgemäß benützt werden. Nachdem die Geschäftsinhaberin ihren Kunden den gesamten Kundenparkplatz als Zufahrts- und Parkfläche zur Befriedigung ihrer Kaufabsichten zur Verfügung stellte, erstrecken sich ihre vor- und nachvertraglichen Schutzpflichten auch örtlich auf den gesamten Kundenparkplatz. Ein räumlicher Zusammenhang lag somit vor.

Zum zeitlichen Zusammenhang: Die Beklagte erhob den Einwand, dieser läge nicht mehr vor, weil der Einkauf bereits abgeschlossen und die Waren im Fahrzeug verstaut waren. Der OGH hielt fest, dass nachvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten solange anzunehmen sind, solange sich der Vertragspartner oder seine Güter in der Einflusssphäre des anderen Vertragspartners befinden. Da der Sturz sich aber nur wenige Minuten nach dem Erlöschen der Hauptleistungspflichten ereignete, und der Kläger den örtlichen Einfluss- und Verantwortungsbereich der Beklagten noch nicht verlassen hatte, war ein zeitlicher Zusammenhang noch gegeben.

Zum funktionalen Zusammenhang: Die Beklagte argumentiert schließlich noch damit, dass funktional kein Zusammenhang mit der Erfüllung der Hauptleistungspflichten (Abschluss des Kaufvertrags) und dem Sturz des Klägers bestand. Richtig ist zwar, dass mit dem Verladen der Einkäufe im Auto der wesentliche Teil der Vertragsabwicklung beendet war. Allerdings sind ein breites Parkplatzangebot und ein attraktiver Branchenmix wesentliche Faktoren für die Anziehungskraft von Einkaufszentren. Diese Faktoren sind damit maßgebliche Elemente der Kundenbeziehung zwischen den Streitteilen, werden damit doch potentiell auch solche Kunden angelockt, die die Anreise nur für ein einzelnes Geschäft nicht in Kauf genommen hätten. Gemessen am Maßstab der Vertragsauslegung ist demnach der Besuch mehrerer Geschäfte ein typisches Kundenverhalten im Zusammenhang mit dem Besuch eines Einkaufszentrums und der darin gelegenen Geschäfte. Es ist auch nicht unüblich, bereits getätigte Einkäufe nicht mit sich herumzutragen, sondern im geparkten Fahrzeug zu verstauen. Betreiber von Geschäften in Einkaufszentren rechnen mit einem derartigen Kundenverhalten und bauen darauf, dass sie auf diesem Weg (zusätzliche) Kunden zugeführt bekommen. Dieses Einkaufsverhalten kommt daher nicht nur dem Betreiber des Einkaufszentrums, sondern jedem einzelnen Geschäftsinhaber zugute. Auch funktional bestand sohin noch ein Zusammenhang.

Aufgrund des vorliegenden „Naheverhältnisses“ zur Hauptleistung bestanden sohin Verkehrssicherungspflichten des Geschäftsinhabers und dieser war schadenersatzpflichtig.

 

In der zweiten Entscheidung (OGH 22.10.2019, 5Ob82/19y) stolperte die Klägerin über eine „Stufe“ beim Einstieg in den Lift, weil dieser aufgrund eines Defektes über dem Niveau des Fußbodens stehen geblieben war. Dies auf ihrem Weg von einem Café zu einem Geschäft im Einkaufszentrum.

Diese Kundin klagte den Betreiber des Einkaufszentrums und stütze ihren Anspruch darauf, dass zwischen dem Betreiber des Einkaufszentrums und dem Betreiber des Geschäftslokals ein Mietvertrag bestehe, aus dem sich auch Schutzpflichten gegenüber Kunden ergeben (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter).

Der OGH wies das Klagebegehren ab und begründete dies damit, dass beim Bestehen direkter vertraglicher Ansprüche, wie es bei vor- und nachvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten der Fall ist, ein Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht geltend gemacht werden kann (Subsidiarität). Dass direkte Ansprüche bestehen, begründete der OGH damit, dass einen Geschäftsinhaber gegenüber seinem potentiellen Kunden nicht nur allgemeine Verkehrssicherungspflichten, sondern auch vor- und nachvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten treffen. Diese vertraglichen Verkehrssicherungspflichten erstrecken sich auch auf Aufzugsanlagen, wenn diese noch zum Zugangsbereich gehören und von den Kunden bestimmungsgemäß benützt werden. Weil dies der Fall war, kam der OGH zum Ergebnis, dass direkte Ansprüche gegen den Geschäftsinhaber bestehen und ein subsidiärer Anspruch gegen den Betreiber des Einkaufszentrums nicht besteht.